In der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts wurde die Geisterwelt betont körperlich. Aus dem Kabinett des Mediums, einem verborgenen Schrank oder vorgehangenen Raum, der bei bestimmten Arten von Séancen üblich war, tauchten leuchtende, ganzkörperliche Gespenster auf. Diese Phantome hockten auf den Knien korrekter viktorianischer Gentlemen oder streichelten die Gesichter derjenigen, die den körperlichen Kontakt mit der anderen Seite suchten. Die Séance, ein Zeitvertreib in der Stube, der angeblich einen solchen jenseitigen Verkehr ermöglichte und in den letzten Jahrzehnten des viktorianischen Zeitalters zu einer kulturellen Obsession geworden war, bot dem Publikum etwas, was bloße Wissenschaft und Bühnenmagie nicht vermochten: den Kontakt mit einer Welt, die sowohl greifbar als auch sehnlichst erwünscht war. Doch nachdem mehrere dieser als Ganzkörpererscheinungen bekannten Phantome als Betrug entlarvt worden waren, verwandelte sich der Séance-Raumgeist in etwas noch Außergewöhnlicheres. In den 1890er Jahren spuckte die Geisterwelt fette Platten geronnenen Plasmas aus – das, was der Nobelpreisträger und Physiologe Charles Richet „Ektoplasma“ (515) nennen würde – und dieses neue Material wurde zu einer der sensationellsten Substanzen des neunzehnten Jahrhunderts. Es war auch eine umstrittene Flüssigkeit, von der viele glaubten, dass sie die Wissenschaft mit der Spiritualität versöhnen würde.
Bevor es als Ektoplasma bekannt wurde, hatte man es eine „Seelensubstanz“ (Flammarion 80), ein „Biogen“ (Coues), eine Manifestation des Perispirits (Kardec) und ein Psychoplasma (Lewes 118) genannt. Man glaubte, dass es aus den Körperöffnungen des Mediums austrat und sich oft in blassen Klumpen auf ihrer Brust oder Schulter, auf dem Tisch des Séance-Raums oder auf dem Boden ansammelte. Ektoplasma-Klumpen wurden jedoch erst ganz am Ende des neunzehnten Jahrhunderts alltäglich. Bevor man es sah, wurde Ektoplasma als Phantomberührung im Dunkeln oder als Kraft, die Tische zum Kippen brachte, erlebt. Diejenigen, die diese Substanz studierten, waren wahrscheinlich für die Entwicklung des Ektoplasmas verantwortlich. Es gab verschiedene Theorien über seine Entstehung. Einige glaubten, das Zeug sei ein Beweis für die Geisterwelt, andere hielten es für eine materielle Projektion bestimmter psychischer Zustände, einige hielten es für eine Manifestation der vierten Dimension, und wieder andere glaubten, es sei nichts weiter als eine groteske Bühnenshow.1 Nicht anders als bei der Ganzkörper-Manifestation verschob das Ektoplasma Möbel und nahm physischen Kontakt mit den Mitgliedern des Séance-Kreises auf. Das begabte und etwas spitzbübische spiritistische Medium Eusapia Palladino erzeugte große wandernde Pseudopoden, die Tische umstießen (Richet 402). Laut dem britischen Physiker Oliver Lodge veranlassten Palladinos Manifestationen Richet zu dem Ausruf: „C’est absolument absurd, mais c’est vrai!“ (302). Doch das Ektoplasma sollte sich bald zu etwas noch Absurderem entwickeln. Es tropfte aus den Nasen, Ohren und Genitalien derjenigen, die geschickt genug waren, es herzustellen. Es wurde bald als eine neue biologische Ordnung angesehen, eine Substanz, die unsichtbare Mechanismen und Welten sichtbar machte. Und anders als bei der Ganzkörpermaterialisierung gab es beim Ektoplasma keine Anzeichen für ein Verschwinden. Es gab immer noch Medien, die ganz oder teilweise geformte Phantome erzeugten, aber die moderne Erscheinungsform wurde zähflüssiger und rudimentärer. Es war kein Körper. Es war nicht einmal als Geist zu erkennen. Es war, als hätte die Geisterwelt die Plausibilität der Ganzkörpermaterialisierung neu bewertet und für unzureichend befunden.
Aber vielleicht war es nicht die Geisterwelt, sondern der psychische Forscher, der diese Verschiebung diktierte. Richet argumentierte, dass Ektoplasma eine Manifestation des Willens oder der Lebenskraft des Mediums sei und nicht die physische Verkörperung eines Geistes (458). Dies markierte den Beginn des Übergangs der Geisterwelt. Die zeitgenössische Wissenschaft bildete die Grundlage für diese neuen nicht-spirituellen Theorien über den Séance-Raum und seine Unannehmlichkeiten. Aber die Substanz gab es schon viel länger als Richet oder Palladino.
Nach Arthur Conan Doyle, einem der eifrigsten Spiritualisten der damaligen Zeit und Schöpfer von Sherlock Holmes, einem der leidenschaftlichsten Rationalisten der Belletristik, waren ektoplasmische Phänomene erstmals von dem Mystiker Emmanuel Swedenborg aus dem 18. Jahrhunderts beschrieben. Inmitten einer Engelsvisitation bemerkte der Mystiker, dass er „eine Art Dampf aus den Poren meines Körpers dampfte. Es war ein sehr sichtbarer wässriger…